Datum: 01.03.2004
Autor: Mandy Fox
Geflucht wird auf Russisch
Die JugendTheaterWerkstatt zeigt ein Stück über russische Aussiedler
Ein junges Mädchen steht mit ihrem Säugling vor einer Babyklappe, der Verzweiflung nahe und innerlich zerrissen, ob sie ihr Kind dort „hineinschmeißen” soll. Wird es weich fallen? Was ist, wenn dort schon viele andere Babys liegen?, fragt sie sich. Zeitgleich wartet die deutsch-russische Rockband „Red Stars” in einem Club auf ihren Drummer und Gitarristen. Die Aufregung ist groß, denn der Auftritt ist in wenigen Minuten und ein Manager von Universal soll heute unter den Zuschauern sein!
So beginnt das Stück Red Stars, geschrieben von dem Engländer David Spencer in Zusammenarbeit mit Volker Hartung, Dramaturg der JugendTheaterWerkstatt Spandau, und Koala Jam, einer Berliner Band, die diesen Theaterabend entscheidend prägt. Spencers Absicht war es, die Probleme von Migranten aufzugreifen: die sprachliche Barriere, das ständige Erinnertwerden, daß man eben nicht deutsch ist. „Viele Immigranten haben die verständliche Tendenz, sich zu ghettoisieren”, fügt Hartung hinzu. Um dem entgegenzuwirken, kam die Idee auf zur Zusammenarbeit mit jugendlichen russischen Aussiedlern, die in dem Stück mitspielen.
Es geht um Heimat und um die Sprache als Barriere, aber auch als verbindendes Element. Durch das Zusammentreffen der russischen Band mit der jungen Mutter Nova vor der Babyklappe werden alle Beteiligten gezwungen, sich miteinander zu beschäftigen. Die Musiker müssen deutsch sprechen, weil Nova sie sonst nicht versteht. Und Nova schreibt ihnen ein Lied auf Deutsch, ein Lied in der Sprache, die für sie genauso wie Englisch eine Fremdsprache ist.
Geflucht wird in diesem Stück ausschließlich auf Russisch. Die Russen im Publikum lachen, ich selbst verstehe nichts, doch das braucht man laut Spencer auch nicht. Es reicht, eine Stimmung aufzunehmen. Der Brückenschlag zu Nova und auch zum Publikum entsteht durch die Musik, durch schnelle Rocksongs, Balladen oder die leise musikalische Begleitung der Szenen. Musik ist eine Sprache, die verbindet. So wie die Arbeit an diesem Theaterstück verbunden hat. Es sind Freundschaften, sogar eine Liebesbeziehung entstanden.
„We’re the Red Stars, we’re gonna rock you from Moscow to the planet mars!” singen die Red Stars. Das nächste Mal rocken sie am 21. und 23. April im p14 der Volksbühne-Ost, mit etwas Glück vielleicht auch noch im Mai im HAU 3.